Eisenhower-Prinzip während einer Krise ungeeignet

Seit Jahren wird in der Management-Literatur und in Kursen zum Krisenmanagement das Eisenhower-Prinzip als eine Methode für die Arbeitsaufteilung zwischen strategischer und operativer Ebene angepriesen.

Seit Jahren wird in der Management-Literatur und in Kursen zum Krisenmanagement das Eisenhower-Prinzip als eine Methode für die Arbeitsaufteilung zwischen strategischer und operativer Ebene angepriesen.

Danach soll eine Führungskraft all die Aufgaben sofort selber wahrnehmen, deren Wichtigkeit und Dringlichkeit hoch sind. Aufgaben, deren Wichtigkeit hoch, aber die Dringlichkeit gering sind, sollen selber zu einem festgelegten Termin bearbeitet werden. Dringliche, weniger wichtige Aufgaben sind zu delegieren und unwichtige nicht dringende Aufgaben sollen gar nicht bearbeitet werden.



Umso höher Führungskräfte in einer Krisenmanagement-Hierarchie angesiedelt sind, desto eher führt die Anwendung des Eisenhower-Prinzips zu mangelhaften Ergebnissen, wenn nicht gar zur erheblichen Schäden für Menschen und die eigene Organisation. Der Grund hierfür ist die Dauer, die die Führungskraft benötigt, um Informationen vom Ereignisort zu erhalten und die Dauer, die benötigt wird, um eine Entscheidung umgekehrt an die ausführenden Personen zu übermitteln.

Zusammen mit der Zeit zum Entscheiden bilden sie die Reaktionszeit, die Zeit, die eine Organisation benötigt, um auf ein Ereignis zu reagieren. Diese Zeit kann prinzipiell durch technische Hilfsmittel verkürzt werden. So ist die Reaktionszeit heute selbst bei Raumflügen deutlich kürzer als sie für die Marinen des 18. Jahrhunderts war. 

Die Seestreitkräfte hatten vor der Erfindung der Telegrafie Reaktionszeiten von Monaten. Deren Oberbefehlshaber, die Monarchen, bedienten sich einer einfachen Strategie: Sie wählten Kapitäne aus, die fähig waren, alleine zu entscheiden, erläuterten ihnen ihre Absichten und vertrauten ihnen.

Das Prinzip wurde dann im 19. Jahrhundert in Preussen auch in die Heeresführung übernommen: Führen mit Auftrag. Trotz der heute zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten müssen oberste Entscheider immer wieder feststellen, dass ihre Reaktionszeiten für das zu behebende Problem einfach zu lang sind, wie U.S. General (ret.) Stanley McChrystal in seinem Buch Team of Teams beschreibt. Auch heute ist die Lösung das Delegieren der Entscheidungsfindung, das Führen mit Auftrag.

Wie muss das Eisenhower-Prinzip abgewandelt werden, um dem Entscheider in Krisensituation hilfreich zu sein? 





Aufgaben mit hohem Einfluss auf das Geschehen und hoher Eiligkeit sind an die operativen Führungskräfte zu delegieren. Die Krisenkommunikation muss mit ihren Mitteln das Umfeld für die operativen Einheiten so beeinflussen, dass letztere erfolgreich ihre Aufgaben wahrnehmen können.
Aufgaben mit hohem Einfluss auf das Geschehen, aber geringer Eiligkeit, können von der strategischen Ebene bearbeitet werden. Erstes Ziel dabei muss es sein, dass diese Aufgaben sich nicht zu „Hoch-hoch-Aufgaben” entwickeln. Das Gleiche gilt für die Aufgaben mit geringem Einfluss auf das Geschehen.

Hauptakteur ist bei diesen die Krisenkommunikation. Bei den Aufgaben mit hoher Eiligkeit müssen zusätzlich die operativen Kräfte vor Ort ein Zeichen setzen, dass Hilfe gerade wirksam wird oder zumindest in absehbarer Zeit wirksam werden wird.

Im ersten Anschein sieht es so aus, dass die strategische Ebene eher eine untergeordnete Rolle während des reaktiven Krisenmanagement spielt und ihren wichtigeren Part während des präventiven Krisenmanagement (Personalauswahl, Ausbildung, Training, Einsatzbereitschaft herstellen und behalten) ausführt. Dies ist aber nicht der Fall. 

Die Aufgaben haben sich nur von "Command and Control" (Führen und Leiten) zu „Coordination and Cultivation“ (Koordinaten und Kultivieren) gewandelt. Die strategische Ebene hat das Umfeld für die operativen Teams frühzeitig und weit vorausschauend so zu gestalten, dass letztere ihre Aufgaben erfolgreich wahrnehmen können. Und obwohl Krisen in der Regel lokal behoben werden müssen, sind deren Folgen häufig global. Diese globalen Folgen fallen auch in die Zuständigkeit der strategischen Ebene.

Übrigens hat Eisenhower am D-Day als alliierter Oberbefehlshaber nicht eine Entscheidung bezüglich dieser Operation getroffen. Die Aufgaben, die an den Stränden der Normandie zu treffen waren, waren von extremer Wichtigkeit für den Erfolg im Kampf gegen die Wehrmacht und extrem dringlich.

Deshalb wurden sie alle von Eisenhowers Feldoffizieren getroffen. Er folgte dem Prinzip „Führen mit Auftrag”. Grundlage dieser Führungsmethode sind gut ausgebildete unterstellte Führungskräfte und ein entsprechendes Vertrauen ihnen gegenüber.

Für beides ist die strategische Führungskraft selber verantwortlich und ist eine extrem wichtige und dringliche Aufgabe bei der Übernahme einer Führungsaufgabe – nicht erst zu Beginn einer Krise. Und in diesem letzten Fall gilt das Eisenhower-Prinzip wieder.

Andreas Hermann Karsten
Senior Consultant